Sent from Hauptstadt!

ein Blog für den geneigten Leser

Artikel Review

Tags:

Kategorie Promotion | 2 Kommentare »

Heute saß ich fast den ganzen Tag (außer 3 stündige Radtour nach Frankreich) an einem Paperreview. Ich soll beurteilen, ob das Werk es Wert ist in einem wissenschaftlichen Magazin veröffentlicht zu werden. Langsam wird mir klar, ich hätte mir nicht so einen philosphischen Artikel aussuchen sollen…

Was für den Manager die Steigerung von Gewinn und Umsatz ist, ist für den Wissenschaftler die Veröffentlichung in einer renommierten Fachzeitung. Ein Wissenschaftler ist umso wissenschaftlicher, desto mehr wertvolle Veröffentlichungen er unter seinem Namen vorweisen kann. Man sagt zu einer Veröffentlichung „Publikation“ oder „Paper“ und die Fachzeitschrift ist natürlich ein so genanntes „Journal“.

Die Anzahl der Paper und wo sie veröffentlicht wurden (in welchem Journal) sind somit ein wichtiges Kriterium zur Beurteilung eines Wissenschaftlers. Davon hängen z.B. Fördergelder, interne Aufstiegschancen und allgemein die Reputation ab. Deshalb sind heute viele Wissenschaftler bestrebt, möglichst ihre Forschung in Form von Papern der Öffentlichkeit mitzuteilen.

Als Medium gibt es dafür eine fast schon unendliche Anzahl von Journals, die von Wissenschaftsverlagen wie Springer rausgegeben werden. Jedes Journal deckt oftmals nur ein sehr begrenztes Fachgebiet ab, also etwa die Forschung zum Thema Hautkrebs. Es gibt auch einige wenige themenübergreifende Journals wie „Science“ und „Nature“. Eine Veröffentlichung in einem dieser Journals ist wie ein 6er im Lotto.

Im Rahmen meiner Masterarbeit hatte ich ja in einer mittelständischen Softwarefirma in Halle eine ethnografische Untersuchung gemacht. Ziel war zu verstehen, wie solch eine Firma versucht ihre internen Prozesse zu verbessern, um z.B. qualitativ hochwertigere Produkte zu entwickeln und allgemein effizienter zu arbeiten. Zusammen mit meinem Betreuer Kari Rönkkö von der BTH habe ich nach der Verteidigung meiner Masterarbeit beschlossen, dass wir die Arbeit versuchen als Paper zu veröffentlichen. Zufälligerweise hatte das „Information and Software Technology“ Journal gerade eine Spezialausgabe zu der von mir in meiner Masterarbeit verwendeten Forschungsmethodenfamilie angekündigt. So eine Ankündigung wird als „Call for Papers“ bezeichnet. Dadurch versucht man immer zu erreichen, dass möglichst thematisch verwandte Paper in einer Ausgabe des Journals erscheinen.

Jedes Journal hat so seine Eigenheiten. So gibt es z.B. den Prozess vor, wie Paper eingereicht werden sollen und welchen Kriterien sie genügen müssen. Auch wird meist eine Vorlage für den Text gegeben, wie der auszusehen hat. Wichtig ist dann natürlich noch die Deadline, also der Tag, bis zu dem man sein Paper eingereicht haben muss. Traditionell wird die Deadline dann aber meist nochmal um ein paar Tage nach hinten verschoben.

Sind alle Paper eingereicht, müssen sie natürlich überprüft werden. So muss z.B. geschaut werden, ob überhaupt irgendwas Neues im Paper steht, ob der Autor sich an die Kriterien für wissenschaftliches Arbeiten gehalten hat, ob das Paper verständlich ist, usw. Diese Arbeit geht natürlich nicht von allein, sondern wird von Wissenschaftlern aus dem Fachgebiet vorgenommen.

In meinem Fall hier wurden mir 2 Paper zur Beurteilung zugesendet. Da wir 2 Autoren sind, übernimmt jeder von uns die Beurteilung von einem Paper. Die Beurteilung erfolgt verblindet. Dies bedeutet, der Beurteiler kennt den Autor nicht und umgekehrt. Dies soll sichern, dass man möglichst objektiv das Paper beurteilt.

Das mir vorliegende Paper ist ein 26-seitiger philosophischer Brocken. Der Autor stellt eine halbe neue Weltphilosophie für die Softwareentwicklung auf und wirft in jedem Satz mit bedeutungsschwangeren Wörtern um sich. Es ist sehr mühsam den Text zu lesen – man neigt dazu einzuschlafen. Wie dem auch sei, ich muss da jetzt durch. Inzwischen denke ich, dass ich ganz gut verstanden habe, was der Autor sagen will und wie seine Argumentation geht. Auch habe ich schon einige Stellen gefunden, wo er sich selbst widerspricht bzw. wesentlich verständlicher argumentieren könnte. Jetzt muss ich das nur noch zusammen schreiben und meine Empfehlung abgeben, ob das Paper angenommen werden soll.

Anhand der Urteile der Reviewer wird dann entschieden, ob das Paper angenommen wird bzw. ob der Autor nochmal Fehler beheben muss. Im schlimmsten Fall kann es also sein, dass man dann als Reviewer das geänderte Paper nochmal erneut beurteilen muss, um ein endgültiges Urteil abgeben zu können.

Momentan ist vorgesehen, dass die Journalausgabe mit meinem Paper Anfang 2007 veröffentlicht wird. Sollte es wirklich dazu kommen, werde ich das sicher nochmal hier erwähnen.

Vielleicht von Interesse ist noch die Frage nach der Bezahlung: Es ist relativ einfach. Weder in der Rolle als Autor noch als Reviewer bekommt man eine finanzielle Entschädigung für seinen Aufwand. Man macht diese Arbeit also primär, weil man selber gezwungen ist, anhand von eigenen Veröffentlichungen seine Wissenschaftlichkeit zu beweisen. Obwohl man also als Autor kein Geld für seine Arbeit bekommt, wird das Journal trotzdem teuer verkauft. Das bezahlen dann wieder die Universitäten, sofern sie sich das überhaupt noch leisten können. Es ist schon alles etwas merkwürdig in der Wissenschaft.

2 Kommentare to “Artikel Review”

  1. Cao, Duy sagt:

    OK, in der Rolle als Autor versucht man seine Wissenschaftlichkeit zu beweisen. Das leuchtet mir ein.

    Wie soll man aber in der Rolle als Reviewer seine Wissenschaftlichkeit beweisen? Und wem gegenüber kann man als Reviewer überhaupt wissenschaftlich glänzen? Wenn du die Review-Tätigkeit verweigerst, veröffentlicht das Journal dein Paper nicht oder was?

  2. admin sagt:

    Du musst z.B. gegenüber dem Journal beweisen, dass du ein guter Wissenschaftler bist. Letztendlich ist es ja doch keine große anonyme Gemeinde. In jedem Spezielgebiet gibt es immer nur eine kleine Zahl von Wissenschaftlern und die kennen sich natürlich alle gegenseitig. Und natürlich, wenn man keinen Review macht, wird auch das eigene Paper nicht veröffentlicht.

    Um zu zeigen, dass man sich ernsthaft mit dem Artikel auseinander gesetzt hat, reicht es nicht, z.B. nur Rechtschreibfehler anzustreichen. Man kann z.B. auf andere relevante Studien verweisen und den Autor fragen, warum er dieses oder jenes nicht mit diskutiert hat oder wie sich seine Untersuchung gegen eine andere bestimmte Studie abgrenzt. Auch kann man z.B. prüfen, ob die Argumentation sauber ist. Hat der Autor z.B. eine Forschungsfrage gehabt? Warum hat er die Untersuchungsmethode gewählt? Warum denkt er, dass diese Untersuchung die Forschungsfrage beantworten kann? Sind die von ihm erhobenen Daten zur Beantwortung geeignet? Hat er seine Daten sauber ausgewertet? Hat er mögliche Fehlerquellen beachtet? Es gibt also eine Reihe von Dingen, die man betrachten kann. Letztendlich sollte man natürlich versuchen konstruktive Kritik zu üben, also etwa mögliche Verbesserungen aufzuzeigen. Denn letztendlich findet man natürlich immer was in einem Paper, was man kritisieren kann.

Schreiben sie ein Kommentar