Wandelgermanen und die RAF
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Urlaub bringt die Gelegenheit mit sich, mal endlich wieder ein Buch oder eine Zeitung zu lesen, die nichts mit Arbeit oder Promotion zu tun haben. Mich haben zwei Texte stark gefesselt und ich will sie natürlich mit dem geneigten Leser teilen…
Text 1 ist ein Artikel in der ZEIT von letzter Woche. Genauer gesagt ist es ein Interview mit dem ehemaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt über den RAF Terror und seine Erinnerungen an die Zeit damals. Speziell geht es um seine Entscheidungen während der Entführung von Hanns Martin Schleyer. Das Interview ist sehr tiefgehend und nicht so oberflächlich wie das typische Talkshow Gequassel, was mit im Abendprogramm findet. Der Interviewer ist sehr gut vorbereitet und kann immer wieder Herrn Schmidt überraschen, indem er ihm zu seinen gerade getätigten Aussagen frühere Aussagen entgegenhält, die das Gegenteil sagen. Dies ist umso bemerkenswerter, da Helmut Schmidt selbst Herausgeber der ZEIT ist und somit das Interview hätte hinterher „schönigen“ lassen können. Die Zeit der RAF ist für mich schwer verständlich, da ich es nicht miterlebt habe. Man kennt viele Berichte der Studenten und Aktivisten der damaligen Zeit, aber was die damaligen Machthaber und Entscheidungsträger gedacht haben, wird nur selten deutlich. Dieses Interview ist da eine noble Ausnahme, da sie sehr intime Einblicke in die Entscheidungsfindung von damals zulässt. Ich will mir kein Urteil über die Aussagen im Interview bilden, das sollte jeder „politisch“ Interessierte selber tun!
Völlig unpolitisch (oder doch nicht?) ist hingegen das Buch „Wandelgermanen“ von Oliver Uschmann. Die zwei Hauptcharakter Hartmut und der Ich-Erzähler geben ihre WG in Bochum auf, um zusammen mit ihren Freundinnen und einer Katze aufs Land zu ziehen (irgendwo Nähe Schwarzwald). Sie haben dort spontan ein Haus gekauft, dass sich dann natürlich als eine Bruchbude und nicht als schönes Fachwerkhaus herausstellt. Die Frauen rennen ihnen Weg und versprechen erst wieder zu kommen, wenn das Haus bewohnbar ist. Damit ist die Aufgabe für Hartmut und ich klar, nur der Weg dahin noch nicht. Es ergeben sich eine Vielzahl von kuriosen Situationen, die sie überstehen müssen. Diese Situationen driften manchmal bis ins Surreale ab. So müssen sie als ausgemachte Linke einer Wehrsportgruppe beitreten und mit einer Gruppe von Germanen durch den Wald wandeln. Aber ich will ja nicht zu viel verraten. Der Roman ist auf alle Fälle köstlich und meine Mitreisenden haben mir das Buch immer geklaut, wenn ich mal nicht selber gelesen habe und das Buch aus den Augen lies. Ich hab schon lange kein Buch mehr gesehen, bei dem jemand beim Lesen ständig leise vor sich hin lacht. Wer also noch für die kommenden Herbsttage ein lustig-ironisches Buch sucht, dem kann ich die Wandelgermanen von Oliver Uschmann nur wärmstens empfehlen.