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Soziale Netzwerke sind Inseln

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Kategorie Promotion | 4 Kommentare »

Die Popularität von sozialen Netzwerken wie StudiVZ, XING, Facebook, LinkedIN, MySpace und Orkut scheint keine Grenzen zu kennen. Doch ein etwas philosophischer Blick zeigt, dass diese Netzwerke eigentlich Inseln sind, die den Grundgedanken des Internet korrumpieren.

Zum Ende meines Abis erstellte ich zusammen mit einigen anderen Schülern eine Mailingliste, damit man möglichst in Kontakt mit den Ehemaligen bleiben kann. Wir versuchten unsere Mitschüler zu überzeugen, dass sie sich doch in die Mailingliste eintragen sollten. Das war schwer, weil 1999 noch nicht jeder eine Emailadresse besaß und weil auch nicht jeder von dem komischen Internet überzeugt war. Zum Ende meines ersten Studiums in Dresden machten wir etwas Ähnliches, nutzten diesmal aber ein Wiki.

Im Prinzip versuchten wir also ein gemeinsames Adressbuch aufzubauen, wobei jeder für die Aktualisierung seiner Daten selbst verantwortlich war. Das Adressbuch war zentral erreichbar und gut geschützt. Was wir damals machten, ist heute allgemein in Form verschiedenster sozialer Netzwerke wie XING, StudiVZ, Facebook, LinkedIN und MySpace verfügbar. Man kann in diesen Plattformen Daten von sich ablegen und sich mit Freunden, Bekannten und Geschäftspartnern verknüpfen. Umso mehr Leute solch ein Netzwerk nutzen, umso mehr Leute kann man natürlich dort finden. Man bestimmt dabei selbst, wer welche Daten von einem selbst sehen darf. So habe ich zum Beispiel in XING konfiguriert, dass meine Kontakte auch sehen dürfen, welche anderen Kontakte ich noch habe. Wer ein Kontakt ist, entscheide dabei ich.

Die Netzwerke verfügen enorme persönliche Daten und deren Nutzung ist natürlich eine heikle Sache. So hat StudiVZ in den letzten Wochen angekündigt, die Nutzerdaten für Werbezwecke nutzen zu wollen. Ich habe daraufhin erst einmal den Großteil meiner Daten wieder entfernt. Es ist aber auf alle Fälle selbstverständlich, dass die Daten nicht mit externen Suchmaschinen wie Google oder Yahoo durchsucht werden können. Die sozialen Netzwerke sind nach Außen also abgeschlossen.

Ein soziales Netzwerk lebt von seinen Besuchern. Würde man lediglich Adressdaten mit diesen Diensten verwalten, wären die Netzwerke sicher nicht lange attraktiv für die meisten Besucher. Deshalb führen die Betreiber immer neue Funktionalitäten ein. So gibt es bei XING eine Vielzahl von Diskussionsforen und demnächst auch einen internen Stellenmarkt. Facebook und MySpace bieten eine Schnittstelle, damit Entwickler Anwendungen schreiben können, etwa um gemeinsam Spiele zu spielen.

All diese Sachen sind natürlich interessanter Inhalt, den man auch gerne direkt durchsuchen möchte, ohne sich vorher an dem jeweiligen sozialen Netzwerk anzumelden. Zum Beispiel wäre es sicher sinnvoll, die Diskussionsforen von XING zu indexieren, damit diese bei einer Suche über Google mit in den Trefferlisten auftauchen. Dies ist aber nicht möglich, da die sozialen Netzwerke nach Außen abgeschlossen sind. Dies widerspricht dem Grundgedanken des Internet, da man keinen direkten Link zu einem Inhalt in solch einem Netzwerk setzen kann. Das wäre alles nicht weiter schlimm, wenn die Masse der Internetinhalte weiterhin öffentlich wäre. Die enormen Wachstumszahlen der sozialen Netzwerke lassen aber vermuten, dass zukünftig ein großer Teil der Netzinhalte nur noch in privaten Netzen verfügbar ist.

Die ganze Sache ist teilweise schon jetzt spürbar. So schicken diverse Freunde von mir lieber eine Nachricht über StudiVZ, anstatt per Email. Dies ist sicher reine Bequemlichkeit, aber letztendlich doch blöd, da ich die Nachrichten von StudiVZ nicht in meiner lokalen Mailbox sammeln kann, diese nicht mit einer Desktopsuchmaschine erreichbar sind und ich es auch nicht sehr toll finde, wenn ein datenschutzrechtlich zweifelhaft Anbieter wie StudiVZ meine persönlichen Nachrichten kennt.

Mir persönlich gefällt diese Entwicklung nicht, auch wenn ich sie sicher nicht aufhalten kann. Auch Google & Co. dürfte das kaum gefallen, da Suchmaschinenbetreiber ja von öffentlich zugängigen Inhalten leben. Deshalb hat Google jetzt einen ersten Schritt gewagt und eine einheitliche Programmierschnittstelle für soziale Netzwerke vorgeschlagen. Hier geht es aber momentan noch eher um die Entwicklung von Widgets und weniger um die Indexierung der Inhalte.

Ein Ausweg aus der neuen Privatheit des Internets besteht darin, dass wir versuchen, immer die passende Anwendung für den jeweiligen Zweck zu nutzen. Wenn wir private Kontaktdaten austauschen wollen, dann sollten wir dies über soziale Netzwerke tun, aber für die Kommunikation sind Email und Chat wesentlich effizienter. Diskussionen gehören in öffentliche Diskussionsforen und für Onlinespiele bedarf es auch keines sozialen Netzwerks.

Vielleicht kann man irgendwann auch die sozialen Netzwerke durch eine verteilte Lösung ersetzen. Schon jetzt stelle ich ja einen Teil meiner Gedanken in diesem Blog öffentlich zur Verfügung und es wäre sicher nicht schwer, diesen Blog mit anderen Blogs zu verknüpfen und so ein Netzwerk aufzubauen. Einem damit verknüpften Blogger könnte ich dann zusätzliche Daten verfügbar machen, etwa meine Adresse und Telefonnummer. Aber warten wir einfach mal ab, was da noch alles in Zukunft kommt.

4 Kommentare to “Soziale Netzwerke sind Inseln”

  1. Micha sagt:

    Das Problem besteht imho schon wesentlich länger als es Facebook&Co gibt.

    Angefangen hat es mit den Webforen. Die hatten/haben eigentlich keinerlei Existenzberechtigung, da die Funktionalität übers Usenet viel besser abbildbar ist, wenn es nur um die Kommunikation geht. Im Usenet kann jeder den Newsreader seiner Wahl für beliebige Newsgroups/Foren benutzen und die Posting lokal auf seinem Rechner lesen und beantworten. Die meisten Newsreader bieten auch wesentlich komfortablere Thread-Ansichten als Webforen, welche meist alle Nachrichten einfach nur zeitlich linear anordnen und deswegen extrem unübersichtlich sind.

    Für Usenet-Daten gibt es schon lange Standards und es gibt Software für alle Plattformen inklusive webbasierter Lösungen wie Google News. Das hat aber alles nicht verhindern können, dass immer mehr Leute Webforen nutzen.
    Und zwar nicht nur für kleine Nischen, für die es keine Newsgroups gibt, sondern auch für Themen, die 1:1 dort
    repräsentiert sind.

    Das Verhalten der Nutzer ist meiner Meinung nach weniger durch die fehlende technische Infrastruktur bedingt, als vielmehr psychologisch. Vielleicht ist gerade die Abgeschlossenheit und Treffpunkthaftigkeit dieser Insel-Systeme für viele so ansprechend, weil sie ein Gemeinschaftsgefühl schaffen.
    Ich glaube, offene, verteilte Systeme fühlen sich für viele einfach nicht gut an.

  2. admin sagt:

    Das gute an Web Foren ist aber immer noch, dass sie Google & Co. zur Indexierung zugänglich sind. So stößt man ja relativ häufig bei einer Suche auf irgendwelche Threads in Foren. Wandern jetzt die Foren aber wie bei XING in eine geschlossene Plattform, kann ich sie nicht mehr so einfach durchsuchen. Ich müsste mich zunächst bei XING anmelden und der ihre Suchfunktion nutzen.

    Soweit ich mich erinnern kann, gab es für das Usenet neben den reinen Newsreader schon immer auch Gateways zu Mailinglisten bzw. Web Oberflächen. Egal wie man auf die Gruppen zugegriffen hat, der Zugang war prinzipiell offen und man kann ja auch heute noch auf die Usenet Posts vor 20 Jahren über Google Groups zugreifen.

  3. Micha sagt:

    Meine Rede. Usenet hat technisch prima funktioniert, konnte sich aber trotzdem nicht durchsetzen. Ein Grund dürfte sein, dass Menschen Inseln bevorzugen, weil dies eher dem natürlichen Gruppentrieb entspricht.

    In Massenchats kann man das sehr gut beobachten. Es gibt oft mehrere Räume mit festgelegten Themen. Die Raumwahl der Teilnehmer erfolgt aber nicht nach dem Thema, über das sie sich gerade austauschen möchten, sondern es wird der Raum genommen, wo die Freunde sind.

    D.h. Themen als Einteilungskriterium (wie im Usenet) reichen zwar für rein fachliche Unterhaltungen, aber nicht fürs Soziale. Da braucht man noch eine weitere Dimension, um mehrere parallele Gruppen zu erlauben. Diese Dimension bieten Webforen über den Domain-Namen des Forums, der von Themen unabhängig gewählt werden kann (aber nicht muss).

    Inwieweit Webforen indizierbar sind, kann ich nicht beurteilen. Man sollte aber bedenken, dass in Suchergebnissen nur genau solche Foren sichtbar sind, die keine Einschränkungen haben. Es gibt auch etliche Foren, die zwar im Suchindex sind, deren Beiträge dann aber trotzdem nur über eine Regstrierung abgerufen werden können.

  4. […] keine Antwort mehr. Das fand ich schon alles etwas skurril. Bleibt zu hoffen, dass sich die Leute nicht weiter so in die geschlossenen Netzwerke reinsteigern, denn wie sinnlos wäre es denn, wenn man von einer GMX Emailadresse nur an andere […]

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