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Die andere Forschung

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Kategorie Web | 6 Kommentare »

Ich hatte mit meinem letzten Beitrag zu der neuen EU Initiative einen kleinen Wochenendplausch in den Kommentaren ausgelöst. Zunächst erst mal herzlichen Dank an alle, die sich hier immer wieder mit Kommentaren beteiligen!!! Ich hatte beim Lesen der Kommentare so das Gefühl, dass da zwei Themen gleichzeitig behandelt und vermischt wurden. Ich hatte ursprünglich gefragt, ob der Einsatz von mehreren 100 Millionen Euro durch die EU sinnvoll ist oder ob man das Geld nicht anders einsetzen sollte. In den Kommentaren ging es dann aber auch um die prinzipielle Gestaltung von Forschung und welche Möglichkeiten uns das Internet bietet. Dieses zweite Thema will ich heute nochmal aufgreifen, weil es für mich das wesentlich spannendere Thema ist…

Bis zum heutigen Zeitpunkt findet Forschung in Forschungsgruppen statt, die meist einen Ortsbezug haben. So gibt es Forschungsgruppen an Universitäten, an speziellen Forschungsinstituten wie Fraunhofer oder natürlich auch in den Forschungsabteilungen von Firmen. Manchmal werden diese Forschungsgruppen zum Beispiel durch Forschungsprojekte oder Exzellenzcluster miteinander vernetzt. Da ich selbst in solch einem Forschungsprojekt arbeite, kann ich aber sagen, dass trotzdem die meiste Arbeit in den Forschungsgruppen stattfindet und man ein Forschungsprojekt lediglich zur Abstimmung zwischen den Einrichtungen nutzt.

Eine weitere Koordination findet über die Veröffentlichungen statt, egal ob Journal, Konferenz, Workshop oder Buch. In der IT nahen Forschung sind weiterhin OpenSource Implementierungen nicht ganz unwichtig, da gerade Firmen hier ihre Forschungsarbeit allgemein zugänglich machen.

So oder so findet die Forschung also doch in einem sehr privaten Rahmen statt. Meiner Erfahrung nach wird die Forschung um so schwieriger, um so kleiner die eigene Forschungsgruppe ist, da man sich nicht gegenseitig Ideen geben und bei Publikationen helfen kann.

Ich bin jetzt in letzter Zeit schon öfter auf die Idee gestoßen, die Forschung öffentlich zu machen, z.B. über das Internet. Die Autoren der Wissenschaftswerkstatt diskutieren zum Beispiel, dass Blogs dazu beitragen können, die Wissenschaftler wieder mit der Gesellschaft in Kontakt treten zu lassen. Würden mehr Wissenschaftler bloggen, könnte sich die Gesellschaft besser darüber informieren, wohin die Steuergelder gehen und den Wissenschaftler vielleicht auch durch Rückmeldung zu seiner Forschung neue Ideen geben.

Micha hat in den Kommentaren auf die Idee der OpenSource Forschung verwiesen. Der MIT Professor Drew Endy setzt sich für freien Zugang zu DNA Informationen ein, damit jeder Privatforscher diese Daten analysieren und untersuchen kann. Dies ist natürlich eine ganz andere Kategorie von Einbeziehung der Gesellschaft in die Wissenschaft. Anstatt die Gesellschaft nur über die Forschung zu informieren und vielleicht gelegentlich Feedback von ihr zu bekommen, wird die Gesellschaft zum Forscher. Die Forschung erfolgt öffentlich, jeder kann sich beteiligen.

Solch eine Forschung verlangt natürlich nach völlig neuen Methoden. Wie kann zum Beispiel ein öffentlich beschriebenes Forschungsergebnis als wahr angesehen werden? Wenn man sich allein schon überlegt, welche Kämpfe auf Wikipedia um manche Artikel ausgetragen werden, lässt hier nichts Gutes erwarten. Auch könnte ich mir vorstellen, dass es ein großer Schritt von OpenSource Softwareentwicklung hin zu OpenSoure Forschung ist, da es viele Hobby-Programmierer gibt, aber nicht viele Hobby-Forscher. Wie könnte man sicherstellen, dass Forschungsmethoden wie Experiment, Fallstudie oder auch systematische Literaturrecherche sauber angewendet werden? Andererseits, wer kann heute garantieren, dass dies wirklich an den Forschungsinstituten gemacht wird? :-)

Lange Rede, kurzer Sinn: Ich schlage vor, die ganze Problematik in einer explorativen Fallstudie zu untersuchen! Wir versuchen mal ein ganz einfaches Problem zu lösen. Als Plattform kann zunächst dieser Blog hier dienen. Anhand dieser Fallstudie können wir dann schauen, welche konkreten Probleme es gibt und man kann daraus wiederum neue Forschungsfragen ableiten. Hhhm, jetzt fehlt nur noch eine Forschungsfrage, die untersucht werden soll. Es fehlt sozusagen noch der Fall der Fallstudie. Im Sinne einer OpenSource Forschung möchte ich dies als erstes zur öffentlichen Diskussion stellen. Was wäre interessant zu untersuchen?

6 Kommentare to “Die andere Forschung”

  1. Ich sehe jetzt den große Sprung nicht. Letztlich war Forschung schon immer öffentlich. Die Ergebnisse wurden standen halt bisher nur in Bibliotheken an einen bestimmten Ort und sind jetzt eben im Internet verfügbar.

    Das erleichtert die Recherche und senkt die Forschungskosten, aber letztlich werden sich dennoch nur die Personen mit den Themen beschäftigen, die sich dafür interessieren.

    Abgesehen von einer größeren Verbreitung ist die Forschungsmotivation heute die gleiche wie vor hundert oder zweihundert Jahren.

    Das Thema „Moral/Ethik der Forschung/Wissenschaft“ finde ich interessant.

  2. Sebastian sagt:

    Der Sprung ist groß, weil wie du selber sagst, nur die Ergebnisse öffentlich zugänglich sind. Der Prozess, wie man zu den Ergebnissen kommt, ist nicht öffentlich. Beispiel: Ich mache momentan eine Studie zur Anwendbarkeit von Semantic Web Technologien für BPM. Dazu führe ich diverse Interviews. Wenn meine Studie fertig ist, werde ich die Ergebnisse natürlich veröffentlichen. Ich veröffentliche aber zum Beispiel nicht die Mitschnitte der Interviews. Ich hab auch nicht die Erarbeitung des Fragenkatalog an die Teilnehmer öffentlich diskutiert.

    Schauen wir nochmal auf OpenSource. Was wir heute in der Wissenschaft haben, ist maximal Freeware Software, auch wenn der Zugang zu dem Wissen nicht wirklich frei ist (Wissenschaftsverlage vs. Open Access). Du kannst aber bei einem Freeware Programm nicht die innere Struktur sehen und auch nicht an der Erstellung der Freeware teilnehmen. Das geht erst mit OpenSource. Du kannst heute nicht nachvollziehen, wie bestimmte Forschungsergebnisse erreicht werden.

    Natürlich wird es auch in Zukunft nur wenige Menschen geben, die sich für ein bestimmtes Gebiet interessieren. Allerdings zeigt meine Erfahrung auch, dass an vielen kleineren Forschungsgruppen immer wieder die gleichen Probleme untersucht werden. Jeder dieser Lehrstühle ist zu klein, um wirklich einen großen Schritt nach vorne zu machen, aber zusammen könnten sie mehr erreichen.

  3. Ok, da kann ich mitgehen. Also wie würde diese OpenScience aussehen und was folgt aus ihr?

    Ich könnte mir vorstellen, dass bestimmte Methoden, Experiemente, Fragen, Formulierungen usw. in einem Internetforum diskutiert werden. Dies wäre in etwas vergleichbar mit einem Brainstormin am runden Tisch (mit gleichzeitiger Protokolierung).

    Die kann natürlich befruchtend sein – mehr Gehirne, mehr Ideen, mehr Lösungen. Aber es bedeutet natürlich auch höhere Transaktionskosten, die mit der Anzahl der Teilnehmer steigen. Zwei Personen können sehr gut miteinander diskutieren, vielleicht auch noch 7. Aber bei einer Teilnehmeranzahl von z.B. 50 wird die Sichtung, die Aussortierung (viele Ideen und Lösungen kommen wieder und wieder, obwohl sie bereits angenommen oder verworfen wurden) immer aufwendiger.

    Stichworte hier sind z.B.: Dokumentation, Dokumentenmanagement.

    Der Prozess ist also wichtig (und der sollte erst einmal ohne Technik betrachtet werden). Konkret könnte die Frage, mit der wir uns also beschäftigen sollten, lauten: Wie können wir das optimale (wissenschaftliche) Ergebnis aus einer Gruppe von z.B. 100 Personen, in einem großen Raum versammelt, herausholen?

    Bildet man Untergruppen? Gibt es optimale (Diskussions)Gruppengrößen? Gibt es vielleicht ein Protokol, mit denen auch in einer Gruppe von 100 Personen optimal diskutiert / nach Lösungen gesucht werden kann?

    Als Stichwort sei hier z.B. eXtrem Programming genannt. Dort wird in Paaren Software geschrieben und nicht in 15 Mann Gruppen :-)

    Dennoch funktioniert ja OpenSource (z.B. Linux oder Mozilla) mit vielen hundert Entwicklern.

    Als erstes sollte vielleicht also auch der OpenSource Prozess untersucht werden (soziologisch, psychologisch, ökonomisch usw.). Was funktioniert? Warum funktioniert es? Wo gibt es Probleme? Warum? Was wurde bereits dort alles probiert (an Prozessen) aber wieder verworfen, weil es sich als untauglich erwies?

    Tscha, da hast du deine Fallstudien :-). Gibe es vieleicht schon veröffentlichte Ergebnisse dazu? :-)

  4. Sebastian sagt:

    Also nun mal langsam mit den Pferden :-) Du beschreibst ja gleich den Inhalt einer ganzen Diss und nicht eine kleine exemplarische Studie. Ich hatte an wesentlich kleinere Brötchen gedacht.

    Meine Idee war zunächst die Metastudie und die Beispielstudie zu trennen, um eine Vermischung zu vermeiden. Also, ich würde gerade nicht untersuchen, wie Forschung in offenen Gruppen funktioniert. Das passiert ja so oder so schon mit der Metastudie darüber :-)

    Das Thema sollte auch was sein, was man erst mal ohne große Feldarbeit (also etwa Interviews) durchführen kann. Heute ist mir spontan die Idee gekommen – Achtung, jetzt wirds total langweilig – mal zu schauen, wie die Unterstützung der graph-orientierten Elemente von BPEL in den verschiedenen bekannten Execution Engines ist. Hintergrund: Man sagt immer, man solle bei EPK/BPMN nach BPEL Transformationen möglichst den block-orientierten Charakter von BPEL nutzen, weil angeblich die graph-orientierten Elemente von den meisten Engines nicht wirklich gut unterstützt werden. Aber stimmt das wirklich oder ist es einfach eine Consulting Legende?

    Nagut, ist wirklich eine extrem langweilige Frage, aber zumindest scheint sie machbar.

  5. Könntest du mir kurz jeweils den graph-orientierten und block-orientierten Charakter von BPEL erläutern?

    Das Vorhaben klingt nach: Wir basteln ein Referenzmodel, installieren alle auf dem Markt befindlichen Tools und versuchen es auf jeden von diesen zum Laufen zu bekommen.

    Richtig verstanden?

  6. Sebastian sagt:

    Idee hast du richtig verstanden. Der block-orientierte Charakter von BPEL ist genau so wie bei jeder Programmiersprache mit Sequenzen, Schleifen und Entscheidungen. Der graph-basierte Charakter ist vergleichbar zu Petrinetzen. Du sagst lediglich, welche Aktivität nach welcher Aktivität kommt und du kannst noch Bedingungen an diese Kanten machen. Der Prozess stellt sich dadurch als eine Menge von Aktivitäten und den Kanten zwischen diesen dar. Es gibt aber keine Operatoren (XOR, AND) und keine expliziten Schleifenkonstrukte.

    Ich werde mal in den nächsten Tagen dies auf eine eigene Seite bringen, an der dann hoffentlich auch jeder irgendwie mit rumdoktern kann. Mal schauen…

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