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Makrophagen-vermittelte VEGF-C-Expression bei Lymphkapillarhyperplasie nach Strahlentherapie

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Kategorie Promotion | 4 Kommentare »

Vor einiger Zeit hatte ich schon mal darüber berichtet, wie eine Doktorarbeit in der Medizin abläuft und welche unterschiedlichen Typen es gibt. Heute stelle ich ein konkretes Beispiel einer experimentellen medizinischen Doktorarbeit vor und unternehme den gewagten Versuch den Inhalt und die Ergebnisse allgemeinverständlich zu erläutern…

Die Arbeit mit dem Titel “Makrophagen-vermittelte VEGF-C-Expression bei Lymphkapillarhyperplasie nach Strahlentherapie” wurde von Susanne Jackowski an der medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg angefertigt und von Prof. Dr. Helmbold betreut. Da sich die Arbeit mit Veränderungen in menschlicher Haut unter Strahleneinwirkung beschäftigt, wurde die Forschungsarbeit an der Universitätsklinik für Dermatologie (Haut) und Venerologie, geleitet von Prof. Dr. Marsch, durchgeführt. Damit hätten wir das Deckblatt schon mal abgearbeitet. Es folgen die restlichen 60 Seiten :-)

Um die Arbeit zu verstehen, muss man wissen, dass es neben den Blutgefäßen noch das Lymphgefäßsystem gibt. Mir war das bisher unbekannt; muss ich wohl im Biounterricht verschlafen haben… Auf jeden Fall verläuft das Lymphgefäßsystem ebenfalls durch unseren Körper. Im Gegensatz zum Blutgefäßsystem ist es aber kein Kreislauf, sondern es transportiert den Inhalt, zu dem wir gleich kommen, zurück in das Blutgefäßsystem. Die Lymphe, also das Zeug im Lymphgefäßsystem, transportiert kaputtes Zellgewebe und auch Flüssigkeiten, die sich zwischen den Zellen angesammelt haben. Das sind die nützlichen Seiten des Lymphgefäßsystems. Allerdings kann es auch passieren, dass sich Tumorzellen (also Krebszellen) über das Lymphgefäßsystem verbreiten. Das ist natürlich nicht so prall.

Wenn nun jemand Krebs hat und eine Strahlenbehandlung erhält, dann wäre es relativ blöd, wenn im bestrahlten Gebiet das Lymphgefäßsystem wächst, denn dies würde die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass die Tumorzellen sich im Körper verbreiten. Dummerweise konnte in einer  früheren Doktorarbeit von Matthias Janusch am gleichen Institut gezeigt werden, dass dies genau  passiert – bei Bestrahlung kam es zu einer Vermehrung der Lymphgefäße. Vermehrung heißt in Medizinisch übrigens Hyperplasie, womit ein weiteres Wort aus dem Titel der Doktorarbeit geklärt wäre.

Ziel der Doktorarbeit von Susanne war es nun herauszufinden, warum es denn zu einer Vermehrung von Lymphgefäßen bei Strahlentherapie kommt bzw. welcher Mechanismus dahinter steckt. Es ist bereits bekannt, dass das Enzym VEGF-C ein Wachstumsfaktor für Lymphgefäße ist. Es ist auch bekannt, dass VEGF-C von Makrophagen ausgesondert (exprimiert) wird. Makrophagen sind so genannte Fresszellen. Gibt es zum Beispiel ein Bakterium in unserem Körper (“wir sind krank”), so fressen Makrophagen dieses Bakterium (sie zerkleinern es) und präsentieren einen Teil des zerkleinerten Bakteriums auf ihrer Oberfläche. Man spricht von einer Antigenpräsentation. Mit dem Antigen wandern die Makrophagen dann weiter durchs Lymphgefäßsystem bis zu den Lymphknoten. Dort werden dann Antikörper gebildet, die sich dann auf zur Bekämpfung des Bakteriums machen.

In der Arbeit konnte nun nachgewiesen werden, dass sowohl die Makrophagendichte als auch die VEGF-C Dichte nach Bestrahlung anstieg und zur Bildung neuer Lymphgefäße führt. Dazu wurden Hautproben von Patientinnen mit Mammakarzinom (Brustkrebs) entnommen. Man entnahm sowohl Hautproben aus dem bestrahlten Gebiet als auch Hautproben von der anderen Seite. Man hatte sozusagen die Kontrollgruppe gleich am selben Individuum. Jeder Patientin wurde immer nur einmal Hautproben entnommen, da es doch ein nicht ganz schöner Eingriff mit einer Stanze ist. Allerdings wurden die Proben bei den verschiedenen Patientinnen unterschiedlich lang nach der Strahlenbehandlung entnommen. Über statistische Verfahren konnte Susanne nun zeigen, dass die Makrophagendichte kurz nach der Strahlenbehandlung stark ansteigt und damit auch mehr VEGF-C produziert wird. Dies führt dann wiederum zum Wachstum der Lymphgefäße, was die Wahrscheinlichkeit der weiteren Verbreitung der Krebszellen erhöht.

Unklar ist, warum vermehrt Makrophagen nach der Strahlenbehandlung auftreten. Man könnte z.B. spekulieren, dass bei der Strahlenbehandlung Zellen zerstört werden, was wiederum Makrophagen anlockt. Das würde bedeuten, dass man die Strahlenbehandlung so gering dosiert wie möglich machen sollte, um nicht zu viele Zellen zu zerstören und weniger Makrophagen anzulocken.

Die Arbeit zusammen mit der Vorarbeit von Matthias ist eine wichtige Erkenntnis für die Krebs- und Strahlenforschung. Letztendlich zeigt es nämlich, dass man durch Bestrahlung einen Mechanismus auslöst, der zu dem führt, was man eigentlich bekämpfen will – Krebs. Wegen dieser sehr wichtigen Erkenntnis ist es auch kein Wunder, dass ein Paper im sehr renommierten American Journal of Pathology (zugehöriger Pubmed Eintrag) veröffentlicht werden konnte.

Die Erarbeitung dieser Promotion hat mehrere Jahre gedauert. Allein das Anfertigen der verschiedenen Schnitte und die Auswahl der richtigen Färbemethoden, damit man die Makrophagendichte in der Hautprobe ermitteln kann, ist nicht trivial. Trotz dieses großen Aufwandes ist es letztlich nur ein kleiner aber sehr wichtiger Schritt auf dem langen Weg zu einer Krebstherapie.

4 Kommentare to “Makrophagen-vermittelte VEGF-C-Expression bei Lymphkapillarhyperplasie nach Strahlentherapie”

  1. Brigitte sagt:

    Hallo Sebastian,
    vielen Dank für die Übersetzung.Endlich erklärt einer mal denn Sinn des Ganzen.So müssten alle Doktorarbeiten übersetzt werden.
    Vielen Dank Brigitte

  2. susanne sagt:

    Ich stimme Brigitte vollkommen zu.

    Danke für den gut lesbaren und verständlichen Text.

  3. Renate Scharf sagt:

    Liebe Susanne,
    Ihre Doktorarbeit hat mir die Augen geöffnet:
    Mein Mann Klaus hat 40 Bestrahlungen zur Bekämpfung seines Prostatakarzinoms erhalten. Nach den Bestrahlungen hat er Schüttelfrost und Fieber bekommen. Mittlerweile fünf mal. Er war deshalb im Krankenhaus. Eine Biopsie der Hiluslymphknoten ergab, das er an Sarkoidose erkrankt sei. Die Lymphknoten sind entzündet und geschwollen. Er bekommt jetzt Kordison.
    Wir vermuten, dass durch die Bestrahlungen das Immunsysthem beschädigt wurde.
    So ist es für mich sehr interessant, Ihre Ausführungen zu lesen. Meine Frage: Besteht aus Ihrer Sicht zwischen Bestrahlungen und Sarkoidose ein Zusammenhang?
    Wie sehen Sie das?
    Wir sind Betroffene und wissen nicht, wie es weiter gehen soll.
    Haben die Bestrahlungen dazu geführt, dass der Gesundheitszustandes meines Mannes sich drastisch verschlimmert hat ???
    Mit freundlichen Grüßen
    Renate Scharf

  4. Sebastian sagt:

    Hallo Renate,

    eine ausführliche Antwort gab es ja schon per Email. Ich möchte nur an dieser Stelle nochmal klarstellen, dass die Arbeit von Susanne natürlich nicht aussagt, dass Bestrahlung generell schlecht ist. Die Arbeit zeigt vielmehr, welche Nebenwirkungen eine Bestrahlung haben kann und dass man diese Nebenwirkungen beachten muss. So kann man z.B. die Bestrahlung reduzieren, um die beschriebenen Effekte abzuschwächen. Falls meine Ausführungen etwas zu salopp waren und daher ein Missverständnis verursacht haben, möchte ich mich dafür entschuldigen.

    Gruß,

    Sebastian

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