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Tag 1: Business Information Systems Konferenz

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Kategorie Promotion | 2 Kommentare »

Ich war in der letzten Woche wieder viel unterwegs und hab deshalb hier mal eine kurze Pause im Blog eingelegt. Ich war zum Beispiel auf der internationalen Business Information Systems (BIS) Konferenz in Innsbruck. Hier eine kleine Übersicht über interessante Vorträge vom 1. Konferenztag.

Business Information Systems entspricht in der deutschen Studienlandschaft der Wirtschaftsinformatik. Es geht also nicht primär um Informatik- oder BWL-Themen, sondern um Forschungsarbeiten, die die Brücke zwischen beiden Gebieten schlagen. Die Konferenz wurde in den Räumlichkeiten der Universität Innsbruck unter Leitung von Prof. Fensel durchgeführt. Die primäre Organisation lag bei Prof. Abramowicz und seinem Team von der Universität in Poznan. Es war inzwischen die 11. BIS Konferenz, was von einer langen Tradition zeugt. Die Proceedings erscheinen bei Springer in der Lecture Notes in Business Information Processing (LNBIP) Serie als Volume 7.

Eröffnet wurde die Konferenz mit der Keynote von Prof. Buhl von der Universität Augsburg. Sein Thema ging zunächst von Service Science aus, driftete dann aber Richtung Bedeutung der Wirtschaftsinformatik ab. Die Wirtschaftsinformatik ist ja erst mal nur im deutschsprachigen Raum anerkannt, tut sich aber international sehr schwer. Man merkt dies schon allein daran, dass es keine wirklich gelungene englische Übersetzung oder Entsprechung für den Begriff Wirtschaftsinformatik gibt. In den USA spricht man häufig von Information Systems Research oder Operations Research, was aber letztendlich nur Teilgebiete der Wirtschaftsinformatik sind. Mit diversen Statistiken zeigte Prof. Buhl, dass die Wirtschaftsinformatik in Europa floriert und Absolventen von der Wirtschaft stark nachgefragt werden, während in den USA die Zahlen der Studenten in diesen Fächern stark zurück gehen. Prof. Buhl führt dies auf eine mangelnde Integration von Firmen in den Universitätsalltag zurück. Seiner Meinung nach kann die internationale Wirtschaftsinformatik stark von der deutschsprachigen Wirtschaftsinformatik lernen. Allerdings geschieht dies momentan kaum, da die Wirtschaftsinformatik international kaum Beachtung findet und eher eine deutschsprachige Spezialdisziplin ist. Um dies zu ändern, wird es zukünftig das Journal Wirtschaftsinformatik (dessen Herausgeber Prof. Buhl ist) als internationales Journal geben, was wahrscheinlich Business and Information Systems Engineering heißen wird. Dazu werden alle Beiträge sowohl auf Englisch als auch auf Deutsch veröffentlicht. Für die Übersetzung müssen nicht die Autoren sorgen, sondern die Kosten für die Übersetzung werden von Sponsoren wie Telekom und Accenture getragen. Wenn ich es richtig verstanden habe, wird die Wirtschaftsinformatik dann auch bei Springer veröffentlicht, wovon man sich zusätzliche Sichtbarkeit erhofft. Noch gibt es im Netz keine offizielle Seite zu diesem Vorhaben, aber die erste Ausgabe soll wohl schon 2009 erscheinen. Ich persönlich finde dieses Bemühen von Prof. Buhl und seinen Mitstreitern als einen enorm wichtigen Punkt, da sich meine Arbeit ebenfalls in die Wirtschaftsinformatik, es aber sehr schwierig ist, meine Arbeit zu veröffentlichen, da es kaum passende Konferenzen und Journals gibt.

Die zweite Keynote wurde von Prof. Ciravegna von der Universität Sheffield gegeben. Prof. Ciravegna ist selbst Informatiker, arbeitet aber mit diversen großen Konzernen wie Airbus und Fiat zusammen. Sein Hauptinteresse besteht in der Unterstützung des Produktlebenszyklus von industriellen Gütern wie etwa Autos oder Flugzeugen. Bei der Konstruktion und der Entwicklung von solchen Gütern fallen enorm viele Daten an. Auch bei der späteren Nutzung zum Beispiel während der täglichen Wartung der Flugzeugturbinen werden Daten erhoben. Damit diese Daten nicht zu Datenhalden werden, ist ein intelligentes Wissensmanagement gefragt. Hier setzt Prof. Ciravegna mit seinem Team an und nutzt semantische Technologien wie Ontologien, um diese Daten besser analysieren zu können. Wichtig war für Prof. Ciravegna aber der Hinweis, dass Nutzer niemals Ontologien selbst definieren wollen. Er hat deshalb ein ziemlich cleveres Verfahren entwickelt, um Ontologien aus Formulardaten abzuleiten. Ein entsprechendes System erlaubt es Nutzern neue Formulare zur Datenerfassung zu definieren, indem Teile anderer Formulare wiederverwendet werden. Interessant fand ich auch seine Aussage, dass heute niemand mehr in einer Flugzeugturbine interessiert ist, sondern ein Kunde Schubkraft als Dienst erwartet („aircraft power vs. jet engine“). Dieses Beispiel knüpfte gut an Service Science an und verdeutlichte, dass wir heute meist hybride Produkte haben, die sowohl aus einem realen Objekt als auch einem virtuellen Dienst bestehen.

Später am Tag präsentierte Daniel Weiss sein Paper „Concepts for Modeling Hybrid Products in the Construction Industry“, dass diese Idee der hybriden Produkte erneut aufgriff. Er und seine Kollegen haben 6 verschiedene Methodiken für die Beschreibung hybrider Produkte analysiert und ein einheitliches Metamodell extrahiert. Eine der analysierten Methodiken war die ARIS Leistungssicht und eine andere die Y-CIM Methodik. Mir persönlich hat noch etwas die Schlussfolgerung aus der Analyse gefehlt, also was wir jetzt konkret daraus lernen können. So wäre es z.B. interessant eine Matrix aufzubauen, was in welcher Methodik fehlt, damit man diese gezielt weiterentwickeln kann.

Jose Luis de la Vara stellte sein Paper „Improving Requirements Analysis through Business Process Modelling: A Participative Approach“ vor. In dem Paper beschreibt er zusammen mit Juan Sanchez, beide von der Universität Valencia, eine einfache Methodik, um die Anforderungsanalyse für Unternehmenssoftware zu verbessern. Man erhebt zunächst die Geschäftsprozesse, die die Unternehmenssoftware unterstützen soll, und markiert in den Prozessmodellen die einzelnen Geschäftsfunktionen je nachdem ob sie direkt von der Software unterstützt werden, ob sie von einer anderen Software unterstützt werden oder ob es eine rein manuelle Funktion ist. Anschließend füllt man für jede Funktion, die von der Software zu unterstützen ist, eine standardisierte Usecase Beschreibung aus. Sie haben das Verfahren anhand von BPMN gezeigt. Ich denke, es ist eine einfache und vielleicht sogar schon breit genutzte Methodik, die sich gut erlernen lässt und nicht zu viel unnötigen Papierkram generiert.

Mark Strembeck präsentierte das Paper „Influence Factors of Understanding Process Models“. Das Paper entstand zusammen mit Jan Mendling. Beide Autoren haben Probanden 6 verschiedene Prozessmodelle gezeigt und zu diesen Modellen jeweils 6 Fragen gestellt. Mit den Fragen haben sie überprüft, ob der Proband das Modell richtig verstanden hat. Es gab 2 Gruppen von Modellen, um sozusagen eine Kontrollgruppe zu haben. Auch wenn der Studienaufbau und die statistische Auswertung sehr gut in dem Vortrag erklärt wurde, so waren mir die Schlussfolgerungen nicht wirklich ersichtlich. Es kann aber auch sein, dass es für solche Schlussfolgerungen einfach noch zu früh ist und weitere Experimente notwendig sind, um z.B. sagen zu können, ob die Länge der verwendeten Texte Einfluss auf die Verständlichkeit der Modelle hat.

Piotr Stolarski von Poznan Universität stellte seine Arbeit „Modelling and Using Polish Legal Knowledge – Companies Code Ontology“ vor. In dieser Arbeit hat er eine polnische gesetzliche Verordnung als Ontologie dargestellt. Anschließend konnte er mit den üblichen Reasoner-Techniken prüfen, ob die erstellte Ontologie widerspruchsfrei ist. Dabei zeigte sich, dass es in der Ontologie und damit auch der gesetzlichen Verordnung Widersprüche gibt. Das ist natürlich eine sehr interessante Anwendung, denn nun könnte man Politikern nachweisen, dass sie Unsinn verzapfen ;-)

Emanuelle Della Valle von Cefriel dürfte den Preis für den besten Titel gewinnen: „Agreeing While Disagreeing: A Best Practice for Business Ontology Development“. Ich weiß gar nicht so genau mehr worum es nun in dem Paper genau ging, aber einen Gedanken fand ich bemerkenswert. Emanuelle sagt, dass man prinzipiell Agreement (Einverständnis) und Commitment (Einsatzbereitschaft) unterscheiden muss. Wenn Firmen z.B. einen öffentlichen Standard erarbeiten, dann sind sie sich oft nicht in allen Punkten einig. In solch einem Fall kann man maximal ein Agreement erreichen, aber ein Commitment ist schwieriger, da nicht alle gleichermaßen die fraglichen Teil des Standards unterstützen werden. Diese Sichtweise lässt sich eigentlich auf alle Teile des Arbeitsleben (und darüber hinaus) übertragen. Wenn ich von einer Sache nicht überzeugt bin, werde ich vielleicht noch zustimmen, mich aber nicht unbedingt dafür einsetzen. Emanuelle schlussfolgert daraus, dass man in einen öffentlichen Standard erst mal nur die Dinge aufnehmen sollte, zu denen alle Parteien ein Commitment abgeben. Andere Aspekte sollte man dann eher auslagern. Er zeigte weiterhin, dass man Agreement und Commitment nicht in allen Formalismen für Ontologien gleichermaßen gut abbilden kann und diese Sprachen entsprechend erweitert werden müssen.

Den Preis für die beste Präsentation an diesem Tag sollte meiner Meinung nach an Celine van Damme von der Freien Universität Brüssel gehen. Zur Präsentation ihres Papers „Turning a corporate folksonomy into a lightweight corporate ontology“ nutzte sie eine Vielzahl wunderbar treffender Grafiken und Fotos, die den Vortrag sehr gut verständlich machten. Leider überwiegt bei solchen wissenschaftlichen Konferenzen doch häufig die Textschlachten mit säuberlich geschachtelten Notizen. Das erweckt zwar einen gewissen Eindruck von Wissenschaftlichkeit, trägt aber nicht wirklich zur Aufmerksamkeit des Zuhörers bei. Celine hat das riesige Forscherglück, dass sie auf eine umfangreiche Datensammlung eines Handelsunternehmen für ihre Studien zugreifen darf. Das Handelsunternehmen hat ein internes Nachrichtenportal, auf dem alle Mitarbeiter zu den verschiedenen Verkaufsstellen kurze Notizen ablegen. Alle Notizen versehen sie mit kurzen Stichwörtern, damit die Notizen später wieder auffindbar sind. Das System existiert nun schon seit mehreren Jahren. Celine zeigte wie man diese Stichwörter nutzen kann, um noch unentdeckte Informationen aus dem riesigen Datenhaufen hervor zu befördern. Es ging ihr also weniger um den Aufbau einer Ontologie, sondern um Business Intelligence.

Abschließend sei noch auf den Vortrag „Discovering Semantics in Multimedia Content Using Wikipedia“ von Angela Fogarolli verwiesen. An ihrer Universität Trento in Italien gibt es eine Vielzahl von Video-Vorlesungen. Angela hat eine umfangreiche Toolkette aufgebaut, um den Inhalt dieser Videos nachträglich zu erfassen. Dazu wird z.B. die Sprache der Vorlesung analysiert und mittels Natural Language Processing in Text überführt. Um die Bedeutung des Texts zu ermitteln, nutzt sie Wikipedia. Wenn z.B. Stichworte aus dem Text in gemeinsamen Artikeln vorkommen, dann kann man davon ausgehen, dass man die richtige Bedeutung der Stichworte gefunden hat. Aus dieser Analyse leitet die Software dann automatisch Stichworte für die Vorlesung ab, um die Videos entsprechend zu katalogisieren. Sie hat die automatisch erzeugten Stichworte auch mit manuell vergebenen Stichworten verglichen und dabei festgestellt, dass das ganze System schon ganz gut klappt, auch wenn es natürlich noch sehr viel Verbesserungsmöglichkeiten gibt. Falls das alles mal wirklich funktioniert, ist es meiner Meinung nach ein sehr toller Ansatz um Multimediainhalte semantisch zu erfassen.

So, das war der erste Tag der Business Information Systems (BIS) Konferenz in Innsbruck. Zur Belohnung für alle die bis hier gelesen haben, gibt es jetzt noch ein Bild von Innsbruck bzw. den beeindruckenden Bergen um Innsbruck.

Alpen bei Innsbruck noch mit Schnee bedeckt

2 Kommentare to “Tag 1: Business Information Systems Konferenz”

  1. […] zwei Tagen habe ich bereits vom ersten Tag der Business Information Systems (BIS) Konferenz in Innsbruck berichtet. Heute folgt die Zusammenfassung von Tag 2 und […]

  2. […] hier im Blog in diversen Beiträgen zusammen gefasst, etwa die SE2007 Konferenz oder die BIS Konferenz (weiterer BIS Bericht) in diesem Jahr. Das geschah aber dann alles hinterher bzw. immer am Abend […]

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