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Sterbehilfe: Kusch vs. Friedman

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Achtung, dieser Beitrag ist absolut off-topic! Ich habe gerade die Fernsehdebatte von Herrn Friedman mit Herrn Kusch über Sterbehilfe bei N24 mir angeschaut. Ich bin zunächst über Rivva auf diesen Beitrag aufmerksam geworden und hab dann noch den Spiegel Online Artikel dazu gelesen. Laut Spiegel hat Friedman alle Argumente von Kusch entlarvt. Diese Einschätzung teile ich nicht…

In der Sendung Studio Friedman diskutierte am letzten Donnerstag der Moderator Michael Friedman mit dem Sterbehilfebefürworter Roger Kusch, der früher mal Justizminister in Hamburg war. Kusch hatte einer 79 Jährigen beim Sterben geholfen, indem er wahrscheinlich Kontakt zu einem Händler von „Sterbemedikamenten“ vermittelt hat.

Ziel Friedmans bei der Diskussion war scheinbar, Kusch vollständig moralisch und verbal zu vernichten. Er startete mit einer herablassenden Frage, wie sich Kusch als Todesengel Nummer eins von Deutschland fühle? Liest man den zugehörigen Spiegel Online Artikel, könnte man denken, Kusch konnte die Fragen Friedmans nicht parieren und hat auf ganzer Linie verloren.

Ganz so eindeutig ist das Duell aus meiner Sicht nicht ausgegangen. Natürlich hatte Kusch keine Chance gegen Friedman, schon allein weil dieser ihm immer wieder ins Wort fiel. Trotzdem hat Kusch ein paar Fragen aufgeworfen, die Friedman nicht beantworten konnte (dazu gleich mehr…). Definitiv verloren hat der deutsche Journalismus, da diese Art der Gesprächsführung sicher nicht angebracht ist bei solch einem sensiblen Thema, wie auch Thomas anmerkt. Auch war an manchen Stellen die Argumentation Friedmans einfach nur peinlich, etwa als er den Fall eines 15-jährigen depressiven Mädchens konstruierte, dass ebenfalls Sterbehilfe wollte (a la „Ein Jumbo mit 300 Leuten rast auf ein Atomkraftwerk zu. Dürfen wir den Jumbo abschießen?“). Ein anderer peinlicher Ausrutscher Friedmans war, als er suggerierte, der von Kusch ins Leben gerufene Verein würde letztendlich nur der Bereicherung Kuschs dienen.

Eine meiner Meinung nach berechtigte Frage Kuschs war, ob es besser ist, wenn sich jemand vor einen ICE wirft oder man ihm Sterbehilfe gibt? Nun kann man sicher darüber streiten, ob Sterbehilfe zu einem humanen Tod führt, aber ein Selbstmord Dank ICE ist aus meiner Sicht definitiv nicht ein humaner Tod. Deshalb wäre es interessant zu diskutieren, was denn einen humanen Tod ausmacht. Oder gibt es letztendlich gar keine allgemeingültigen Kriterien für einen humanen Tod?

Eine zweite berechtigte Frage Kuschs war, warum wir Menschen zwingen erst in die Schweiz zu reisen, um dort Sterbehilfe zu bekommen? Diese zusätzliche Last ist letztendlich auch eine Gängelung der Menschen und wir stellen damit den freien Willen des Sterbewilligen in Frage.

Nicht verstanden habe ich, warum Kusch nicht die Argumentation Friedmans über Religionen abgelehnt hat. Dass nur Gott über Leben und Tod entscheiden darf, mag für Anhänger des Christentums ein Argument sein, aber da nicht alle Menschen dem Christentum angehören, kann es kein allgemeines Argument sein.

Friedman hatte aber auch einige sehr berechtigte Fragen, auf die Kusch keine sinnvolle Antwort hatte. Der Moderator fragte mehrmals nach seinen Entscheidungskriterien, wann er einem Menschen Sterbehilfe gewährt und wann nicht. Diese Kriterien gab Kusch nicht preis. In diesem Zusammenhang stellte Friedman wiederholt die Frage, warum sich Kusch das Recht herausnimmt, in solchen Fällen Richter zu sein, nämlich letztendlich Richter über Tod und Leben? Für mich zeigt dies ganz eindeutig, dass es unbedingt einer gesetzlichen Regelung bedarf, denn ansonsten reißen Leute dieses Recht an sich ohne jegliche Legitimation.

Kusch hatte angegeben, die Frau 3 Monate gekannt und 4 mal persönlich getroffen zu haben. Er bezeichnete dies als ausreichend um einzuschätzen, ob er Sterbehilfe leisten sollte oder nicht. Hier muss ich ganz klar Friedman folgen, der dies als nicht ausreichend einschätzte.

Eine weitere sehr interessante Frage Friedmans war, ob durch das Angebot der Sterbehilfe nicht die Hemmschwelle für einen Selbstmord gesenkt wird? Folgt man der Argumentation Friedmans, dann würden dadurch letztendlich mit Sterbehilfe mehr Menschen Selbstmord begehen also ohne.

Wichtig fand ich auch die Bemerkung Friedmans, Kusch hätte versuchen sollen nicht Sterbehilfe zu leisten, sondern das Leben für die Frau erträglicher zu machen. Gerade mit einer palliativen Medizin kann man hier sicher viel Leid lindern ohne gleich Selbstmord begehen zu müssen.

Alles in allem eine interessante Diskussion, auch wenn der Diskussionsstil zu wünschen übrig lässt. Das Thema ist aus meiner Sicht zu wichtig, um es in solchen Schlammschlachten verkommen zu lassen. Es wird ein offener gesellschaftlicher Diskurs benötigt, schon um allein zu verhindern, dass Leute wie Kusch Fakten schaffen.

Ein Kommentar to “Sterbehilfe: Kusch vs. Friedman”

  1. Wer viel Zeit hat und eine entsprechende Forumsdiskussion zu dem Thema lesen möchte:
    http://wertewirtschaft.org/forum/showthread.php?t=2611

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