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Publikation und Industriepromotion

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Kategorie Promotion | 1 Kommentar »

Die Promotion in einer Firma hat den Vorteil, dass man nicht in einem universitären Elfenbeinturm vor sich hin forscht, sondern mit wirtschaftlich relevanten Fragestellungen zu kämpfen hat. Bewirbt man sich nach seiner Promotion bei einer Firma, wird die Promotionszeit im Gegensatz zu einem Unipromoventen meist als relevante Arbeitserfahrung anerkannt. Bevor man sich aber auf eine Industriepromotion einlässt, sollte man unbedingt ein ganz entscheidendes Thema klären: Publikationen!

Im Rahmen der Forschung soll die Weitergabe von bereits gewonnenen Erkenntnissen durch Veröffentlichung von Forschungsergebnissen erfolgen, den so genannten Publikationen. Die Publikation von Forschungsergebnissen kann sehr unterschiedlich erfolgen. So kann man bereits Teilergebnisse, die während der Forschung anfallen, als Paper und Vorträge veröffentlichen (mein Weg). Gerade in Deutschland ist es aber noch sehr üblich, dass man alle Forschungsergebnisse erst am Ende seiner Forschung, z.B. als Buchveröffentlichung, der Allgemeinheit zur Verfügung stellt. Welchen Weg man wählt, hängt meist sehr stark vom Wunsch des betreuenden Professors bzw. Fakultät ab. Gerade im Fall einer Industriepromotion sollte man hier aber bewusst entscheiden, welchen Weg man wählt, denn es gilt 2 unüberwindbare Widersprüche zu meistern.

  1. Der Promovent in einer Firma beschäftigt sich meist mit einem Thema, das relevant für die Firma ist. Firmen hoffen auf den Aufbau von Wettbewerbsvorteilen durch den Promoventen. Firmen nutzen Fachpublikationen, um ein öffentliches Image als innovatives und forschendes Unternehmen zu pflegen, aber die Veröffentlichung von genauen Details ist nicht im Sinne eines Unternehmens, denn man will die Konkurrenz nicht unnötig schlau machen. Dies widerspricht aber dem ursprünglichen Sinn einer Publikationen über die eigenen Ergebnisse umfassend zu informieren, damit der nächste Forscher darauf aufbauen kann. Noch schlimmer ist, dass Veröffentlichungen ohne Details nur selten bei Konferenzen oder Journals angenommen werden, da die fachliche Tiefe fehlt. Auf der anderen Seite kann eine zu frühe Veröffentlichung dazu führen, dass die Innovation des Unternehmens nicht mehr patentierbar ist und dem Unternehmen durch die Veröffentlichung ein Schaden entsteht.
  2. Ein weiteres Dilemma ist die Forschungstiefe. Betrachtet man die von mir während meiner Promotion untersuchten Themen, wird man feststellen, dass ich auf ziemlich vielen Hochzeiten unterwegs war. So habe ich mich mit Transformationsalgorithmen, Suchalgorithmen, konzeptioneller Modellierung und dem semantischen Web beschäftigt. Für eine Universitätspromotion wäre dies eher untypisch, da man sich hier meist auf einen Themenkomplex konzentriert. In einer Firma kann dies ganz anders aussehen. Hier gilt es nicht ein Thema in aller Tiefe zu beleuchten, sondern eine Lösung zu finden. Ist eine Lösung gefunden, besteht meist kein weiterer Bedarf, das Thema weiter zu vertiefen und es geht deshalb weiter mit dem nächsten Problem. Dies erfordert vom Promoventen eine gewisse geistige Flexibilität. Viel schwieriger ist aber die Veröffentlichung von diesen Minimalstergebnissen. Man wird den Vorwurf bekommen (alles mehrfach erlebt), dass der wissenschaftliche Beitrag zu gering ist und damit nicht würdig einer Veröffentlichung. Hier wird oftmals verkannt, dass die Leistung gerade in der Anwendbarmachung von komplexeren Theorien und Formalismen besteht, also in einer bewussten Vereinfachung.

Aus diesen 2 Dilemmas ergibt sich eigentlich nur eine Schlussfolgerung: Industriepromotion mit Zwang zu Veröffentlichungen passt nicht zusammen! Wer also eine Industriepromotion angeht, sollte ein Promotionsverfahren suchen, das kaum Wert auf Veröffentlichungen legt, sondern lediglich eine umfangreiche Promotionsschrift am Ende des Verfahrens fordert. Gerade in Deutschland dürfte man noch eine Vielzahl von Universitäten finden, bei denen solch eine „klassische“ Promotion möglich ist. Spielt man allerdings mit dem Gedanken später selbst in die (internationale) Forschung zu gehen, sind fehlende Publikationen ein absolutes k.o. Kriterium. In diesem Fall muss man überlegen, ob man nicht lieber doch an einer Universität direkt promoviert.

Ein Kommentar to “Publikation und Industriepromotion”

  1. Reza sagt:

    Danke für den interessanten Artikel!

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