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Hintergründe Berliner S-Bahn Chaos

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Kategorie Berlin | 6 Kommentare »

Heute fuhr ich mit der Ringbahn und wunderte mich über das verhaltene Tempo. Ich hatte das Gefühl, die Züge bummelten. War das eine Auswirkung des neuen Winterfahrplans der S-Bahn? Lässt die Bahn die Züge bewusst langsamer fahren, damit sie nicht so schnell kaputt gehen?

Wie der Zufall so will, wurde mir heute der Link zu einer Doku des RBB Fernsehens zugespielt, in der es um die Hintergründe der massiven Probleme bei der Berliner S-Bahn geht. Jetzt weiß ich, dass die S-Bahn tatsächlich langsamer fährt, aber nicht um die Züge zu schonen, sondern weil die zuständige Aufsichtsbehörde Tempolimit 60 km/h verordnet hat. Die Bremsen funktionieren nicht zuverlässig – ahhhh. Seit 2002 – ahhhhhhhhhhh!

Seit Einführung der aktuellen Wagengeneration weiß man, dass der Bremsweg fast doppelt so lang ist, als ursprünglich vorgesehen. Deshalb wurde die Maximalgeschwindigkeit über die Jahre immer weiter gedrosselt. Letztes Jahr fuhren die Züge noch mit 80 km/h, jetzt nur noch 60 km/h. Die Bremsen sind aber nicht das einzige Probleme. So gibt es auch noch Probleme mit den Rädern (Risse in den Radscheiben wie beim ICE Unglück von Eschede) und die alten Motoren fallen gerade im Winter besonders häufig aus. Hinzu kommt noch Ausfall von Türen bei Kälte und das Vereisen der Einrichtung, die einen Zug beim Überfahren eines Haltesignals stoppen soll. Es gab schon mehrere Unfälle, etwa 2006 am Südkreuz mit 30 Verletzten.

All diese Probleme sind seit Jahren bekannt, aber trotzdem hat die Bahn es laut der Doku versäumt, zum Beispiel die Räder auszutauschen. Anstatt die Wartungskapazitäten auszubauen, wurde 2006 eine Werkstatt geschlossen. Diese wurde dann zwar einige Jahre später wieder geöffnet, aber es kommt ein Mitarbeiter zu Wort, der sagt, Neueinstellungen finden nur sehr langsam statt. Hinzu kommt, dass die Einarbeitung neuer Mitarbeiter Zeit in Anspruch nimmt.

Eine Lösung ist kurzfristig nicht in Sicht. Wahrscheinlich wird sich auch in den nächsten Jahren nichts ändern. 2017 läuft der Vertrag zwischen Bahn und Land Berlin aus und es könnte ein neuer Betreiber beauftragt werden. Ob der es dann besser macht, ist allerdings auch fraglich, wie OB Wowereit in der Doku anmerkt. Interessant fand ich das alternative Model, dass das Land Berlin eine neue Flotte kaufen soll und dieses dann dem jeweiligen Betreiber zur Verfügung stellt. Dadurch fließen dann Gewinne nicht an die Betreiber wie die Bahn heute, sondern in die Kasse von Berlin. Ob die Stadt diese Gewinne dann in die Züge investieren würde, ist natürlich wieder fraglich.

Jetzt weiß ich gar nicht mehr, ob ich überhaupt noch S-Bahn fahren sollte. Glücklicherweise bin ich für meinen täglichen Arbeitsweg nicht auf die S-Bahn angewiesen. Ich als einfacher Mensch frag mich, wie es sein kann, dass ein Unternehmen über Jahre nicht die vereinbarte Leistung erbringt und es keine rechtlichen Folgen hat? Was sind denn das für Verträge, die da abgeschlossen werden? Klar ist, dass es hier nicht nur um das Versagen der Bahn als Unternehmen geht, sondern auch um das Versagen der Politik. Prima, ich bin begeistert, nicht mal das kriegen die auf die Reihe!

6 Kommentare to “Hintergründe Berliner S-Bahn Chaos”

  1. Wenn der Kunde Aktien des Unternehmens hält und diese zu guten Preisen verkaufen möchte, so wird er nicht unbedingt daran denken das Unternehmen zu verklagen. Auch dürfte dieser Kunde/Eigentümer nicht sehr unglücklich darüber sein, dass die Gewinne und damit die möglichen Dividentenzahlungen des Unternehmens steigen.

  2. Sebastian sagt:

    Das ändert aber nichts daran, dass das alles nicht mehr im Sinne der Bürger ist, sondern sich völlig verselbständigt hat. Dabei klingt es doch so banal einen S-Bahn Dienst für eine Stadt (bzw. Bundesland) zu organisieren.

  3. Natürlich ist das nicht im Sinne der Bürger. Da gibt es zwischen uns kein Dissens.

  4. tobi sagt:

    und was macht der muenduge buerger jetzt dagegen?

  5. Sebastian sagt:

    Aufmerksamkeit erzeugen, damit sich Protest organisieren kann.

  6. Nur zur Klarstellung: Mit Kunde meinte ich den Staat, der Dienstleistungen bei der Bahn einkauft und mit Eigentümer meinte ich ebenfalls den Staat, der alleiniger Anteilseigener der Bahn ist. Staatsunternehmen mit gesetzlicher Monopolgarantie halt.

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