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Softwareentwicklung bei GameDuell

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Kategorie Software Engineering | 1 Kommentar »

Nach weit mehr als einem halben Jahrzehnt in der Entwicklung von Unternehmenssoftware muss ich natürlich aufpassen, dass ich nicht ein absoluter Fachidiot werde. So zumindest mein Selbstanspruch. Eine Stadt wie Berlin bietet dafür unglaublich viele Möglichkeiten, denn hier gibt es eine sehr aktive Startup Szene, die bereitwillig ihre Erfahrungen teilt. Heute habe ich GameDuell besucht, einem Anbieter von Browser- und Onlinespielen.

Ein richtiges Startup ist GameDuell nicht mehr, denn immerhin wurde es bereits vor knapp 10 Jahren gegründet. Doch ein kurzer Blick in ihre Büros reicht, um den jungen Geist zu spüren. Man sieht sehr offene Großraumbüros, im Kühlschrank liegt ein malzhaltiges IT Kultgetränk (bäh!) und der Vortragsraum besteht aus bunten übereinander gestapelten Würfeln nebst Billiardtisch. GameDuell lädt in regelmäßigen Abständen zu Veranstaltungen ein, sicher auch, um auf sich als potenziellen Arbeitgeber aufmerksam zu machen. Die Einladung zur heutigen Veranstaltung versprach einen Einblick, wie GameDuell erfolgreich Browser- und Onlinespiele entwickelt.

GameDuell hat sich auf die Bedienung des Massenmarkts mit einfachen kurzweiligen Spielen spezialisiert. Sie unterscheiden dabei einerseits zwischen Umsetzungen eher klassischer Spielkonzepte wie Skat oder Brettspielen und andererseits Geschicklichkeitsspielen. Sie vertreiben ihre Spiele über ihre eigene Plattform und über Facebook. Weiterhin veröffentlichen sie ihre neueren Titel auch für Smartphones (iPhone, Android) und Tablets (iPad). Technisch bewegen sie sich im Browser hauptsächlich mit Flash und auf Endgeräten mit nativen Anwendungen. Sie haben auch erste Schritte mit HTML5 gewagt und sehen darin eine strategisch wichtige Technologie für die kommenden Jahre.

In einem sehr spannenden Vortrag stellte der Gründer und Geschäftsführer Michael Kalkowski die wichtigsten Punkte für den erfolgreichen Spielentwurf dar:

  • Core Gameplay – Das Spielprinzip muss funktionieren und den Spieler motivieren. Ein im Kern schlechtes Spiel wird auch mit noch so guter Aufmachung und Vermarktung kein wirklicher Erfolg.
  • Out-of-box-experience (OOBE) – Ein Spieler muss vom ersten Moment an vom Spiel gefesselt werden, damit er immer wieder spielt. Der Einstieg muss leicht sein, etwa unterstützt durch integrierte Tutorials.
  • Monetarisierung – GameDuell muss Geld verdienen und deshalb braucht es kommerziell erfolgreiche Spiele.
  • Social Interaction – Spielen tut man am Besten mit Freunden. Das gilt auch für Onlinespiele, weshalb eine Integration mit sozialen Netzwerken unabdingbar ist.
  • Emotionen – Das Spiel muss den Nutzer berühren und ihm positive Rückmeldung geben.

GameDuell nutzt primär 4 Mittel, um diese Punkte zu garantieren:

  • Ständige Erhebung und Auswertung von Metriken, um die Wirksamkeit einzelner Spieldetails beurteilen zu können.
  • Test von Spielideen mittels Prototypen, um schon frühzeitig ein Gefühl für das Funktionieren einer Spielidee zu bekommen.
  • Nutzerbefragungen, um Meinungen der Nutzer über die Spiele zu erhalten.
  • Einen agilen Entwicklungsprozess auf Basis von Scrum, um schnell auf die mit den anderen Mitteln gewonnen Erkenntnisse reagieren zu können.

Ein weiterer Vortrag von einer Anna untersuchte die Herausforderungen bei der Entwicklung von Spielen für mobile Endgeräte. Anhand des Spiels Bubble Popp zeigte sie, wie die Browserversion des Spiels für iPhone und iPad umgesetzt wurde. Typische Herausforderungen sind:

  • sehr unterschiedliche Anzeigetypen, was eine Wiederverwendung von Grafiken, etwa für das Hintergrundbild, unmöglich macht
  • sehr unterschiedliche Anzeigeformate, was zu mehr oder weniger gänzlich unterschiedlichen Spielfeldern führt
  • sehr unterschiedliche Bedienkonzepte (Maus am PC, Touch auf dem Smartphone), was zu gänzlich unterschiedlichen Interaktionskonzepten führt
  • vom Nutzer erwartete Integration der verschiedenen Plattformen, damit der Nutzer seinen Spielstand (etwa gesammlte Punkte) auf allen Plattformen fortsetzen kann; Aus Nutzersicht handelt es sich lediglich um ein Spiel, dass er auf verschiedenen Endgeräten weiterspielen will.

Was sagt nun mein Großsoftwareentwicklerherz dazu? Zunächst wünschte ich mir auch solch kurze und wenig komplexe Projekte, die nach wenigen Iterationen (nicht mehr als 3 Monate) fertig ausgeliefert sind und von Millionen Menschen weltweit genutzt werden. Das schont definitiv die Nerven :-)

Realität in der Entwicklung von Unternehmenssoftware ist aber immer noch, dass große neue Versionen nur aller paar Jahre veröffentlicht werden und dass auch nach Veröffentlichung einer neuen Versionen viele Monate vergehen, bis die ersten Anwender die Software tatsächlich nutzen. Auch der direkte Draht zum Nutzer ist bei der Entwicklung von Unternehmenssoftware meist nicht vorhanden, da die Nutzer vom Entwickler meist durch mehrere Support-, Helpdesk- und Produktmanagerebenen voneinander abgeschirmt sind. Das erschwert auch die automatische Erhebung von Metriken. An eine kurzfristige Reaktion auf Benutzerwünsche ist gar nicht erst zu denken, da selbst eine häufig aktualisierte Software nicht unbedingt ständig auch beim Kunden aktualisiert würde.

Ich glaube aber trotzdem, dass die Softwarebranche für Geschäftskunden sehr viel von den erfolgreichen Softwareherstellern für Endkunden profitiert. Allein die technologischen Entwicklungen der letzten Jahre wie zum Beispiel NoSQL, Big Data, HTML5, verteilte Versionsverwaltung und skriptbasierte Webentwicklungswerkzeuge wie Ruby on Rails entstanden meist im Bereich Massenmarktsoftware. Was aber für die parallele Softwarenutzung mehrerer Millionen Endkunden taugt, ist auch für die Verarbeitung riesiger Berge von Unternehmensdaten brauchbar. Es bleibt zu hoffen, dass sich der Trend zur Unternehmenssoftware per Browser (SaaS) weiter fortsetzt, damit die Rückmeldungsschleife zwischen Nutzern und Softwareentwicklern kürzer wird.

Jetzt frage ich mich nur, ob eine Firma wie GameDuell auch was von der anderen Seite lernen kann? Was würde zum Beispiel passieren, wenn GameDuell versuchen würde, komplexere Spiele zu entwickeln und die dafür benötigten Resourcen nicht mehr an einem Standort zur Verfügung stellen kann? Meinungen?

Ein Kommentar to “Softwareentwicklung bei GameDuell”

  1. Wie sieht es mit dem Testaufwand aus?

    Der Vorteil von Spielen ist, denke ich, dass die (Haftungs-)kosten bei Fehlern gering sind und man auch viele Kunden hat, so dass auch die „Stückpreise“ (naja, Software-Stücke :-)) gering sind.

    Nehmen wir im Vergleich dazu die Entwicklung von sicherheitskritischen Systemen: Das ist kein Massenmarkt, es gibt relativ wenige Kunden und Fehlern sind hier wesentlich kritischer (sprich: teuerer).

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