Zu wenig Normalos
Kategorie Berlin | 1 Kommentar »
Wie sich das am 1. Mai gehört, war ich heute demonstrieren. Dabei musste ich leider feststellen, dass zu wenige Durchschnittsbürger wie ich das tun…
Die NPD hatte für heute einen Aufzug in Berlin Schöneweide geplant. Schöneweide ist leider dafür bekannt, eine rechte Hochburg zu sein. Ausländerfeindlichkeit ist eigentlich in einer Stadt wie Berlin völlig absurd, existiert aber dennoch nicht mal 10 km vom Stadtzentrum entfernt.
Diverseste gesellschaftliche Gruppierungen (von links bis bürgerlich bis kreativ) hatten zu einer Gegendemonstration aufgerufen. Ich landete nicht auf dieser, da ich schon vorher an einer gesperrten Straßenkreuzung hängen blieb. Diese Kreuzung wurde von mehreren hundert Demonstranten blockiert, da sie teil einer möglichen Alternativroute war.
Es offenbarte sich mir dann eine Episode aus dem Nazi-Antinazi-Demonstrations Spiel. Das geht in etwa so:
- Für die braunen Dumpfbacken existiert eine vorher festgelegte Route.
- Diese Route wird durch die Polizei abgesichert.
- Gegendemonstranten versuchen in diese Route einzudringen, um die Dumpfbackenparade zu stören. Mögliche Alternativrouten werden ebenfalls besetzt.
- Ist der Druck hoch genug, bricht die Polizei die Dumpfbackenparade ab und schickt sie mit der nächsten Bahn nach Hause.
Heute war der Druck nicht hoch genug. In den Nachrichten wurden Zahlen von 500 Dumpfbacken und 2.000 Gegendemonstranten genannt. Aus meiner Sicht ist aber das eigentliche Problem, dass ein sehr großer Anteil der Gegendemonstranten eben nicht Normalos wie ich sind, sondern Autonome und Antifa. Da fällt es der Polizei leicht, diese schnell mal niederzuknüppeln. Würden hingegen 2.000 Eltern mit Kindern auf die Straßensperren zugehen, wäre das Ergebnis sicher anders. Fazit: Ob es uns gefällt oder nicht, jeder Bürger muss selbst Flagge zeigen und nicht die Straßen den Radikalen überlassen!
Am Rande noch eine Beobachtung zum Thema Deeskalation: Nach einer kurzen Durchsage verlagerten sich die Kreuzungsbesetzer hin zu einer Brücke. Bemerkenswert, wie gut organisiert und zügig sowas funktioniert. Die Brücke war ebenfalls von der Polizei gesperrt. Anscheinend wurde die Polizei von dieser Aktion überrascht. Mehrere Dutzend Polizisten in Kampfmontur wurden herangeführt und den Demonstranten wurde mit Einsatz eines aufgefahren Wasserwerfers gedroht. Es passierte von Seite der Demonstranten aber nichts, soweit ich es erkennen konnte. Die Polizeikette führte mehrere ruckartige Vorwärtsbewegungen aus, um die Demonstranten von der Brücke zu drängen. Dabei setzte sie Pfefferspray ein und mehrere Demonstranten mussten entsprechend behandelt werden. Nun kann ich natürlich nicht sagen, was genau da in den ersten Reihen vorgefallen ist, aber mir erschien die Sache völlig übertrieben. Was das mit Deeskalation zu tun hat, ist mir nicht klar.
Mein Gefühl ist, dass der ganze Ablauf solch einer Demonstration einem Ritual gleicht. Ich frage mich, ob man dieses Ritual nicht durchbrechen sollte? Wie wäre es zum Beispiel, wenn man einen Naziaufmarsch völlig ignoriert, indem man eben keine Gegendemonstration inklusive Scharmützel mit der Polizei veranstaltet, sondern vorher die Marschroute evakuiert? Zu einer Demonstration gehört schließlich nicht nur ein Sender, der was demonstrieren will, sondern immer auch ein Publikum. Wo kein Publikum, dort auch keine Demonstration ;-)
Zum Thema Deeskalation hat auch die Berliner Opposition den Polizeieinsatz kritisiert:
http://www.welt.de/newsticker/dpa_nt/regioline_nt/berlinbrandenburg_nt/article115798237/Opposition-kritisiert-Polizeieinsatz.html