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Der Immobilienblase hautnah

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Kategorie Berlin | 3 Kommentare »

Heute habe ich die Immobilienblase hautnah erlebt. Ich war bei der Zwangsversteigerung eines Reihenhauses in Berlin…

Am Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg wurde heute ein Reihenhaus im Fliegerviertel in Berlin Tempelhof versteigert. Nachdem der ehemalige Flughafen Tempelhof seit ein paar Jahren geschlossen ist, ist dies ein sehr attraktives Wohngebiet, da sehr zentral gelegen, aber ruhig.

Versteigert wurde ein Reihenhaus mit knapp 300m² Grundstück. Das Haus steht an der Straße und das Grundstück befindet sich als langer Schlauch hinter dem Haus. Es ist kein Sonnengrundstück, aber ab nachmittags sollte man ausreichend Sonne für die Grillparty haben.

Der Schnitt des Hauses ist nicht optimal. Das Erdgeschoss ist quasi ein Keller mit Heizungsraum und den Hausanschlüssen. Darüber gibt es zwei Etagen, auf die sich die eigentliche Wohnung verteilt. Der Dachboden ist noch unausgebaut. Im verfügbaren Gutachten ist die Wohnfläche mit knapp 160m² angegeben. Der Zustand des Hauses ist desolat und bedarf einer vollständigen Sanierung. Deshalb hat der Gutachter eine Wertminderung von 150.000€ in seinem Gutachten berücksichtigt und es als aktuell unbewohnbar eingestuft. Gebaut wurde das Reihenhaus in den1920er Jahren und es stand viele Jahre leer.

Laut Gutachten beträgt der Wert des Grundstücks 102.000€ und des Haus 60.000€. Nach zwei verschiedenen Verfahren kam der Gutachter zu einem Verkehrswert von 165.000€.

Der geneigte Leser kann sich an dieser Stelle sicher schon denken, dass das Haus für mehr als die 165.000€ versteigert wurde. Trotzdem kann der geneigte Leser ja mal für sich schätzen, wie viel es wohl waren und dann am Ende per Kommentar die eigene Schätzung dokumentieren. Damit man hoffentlich nicht gleich den Wert sieht, hier die Karte mit dem ungefähren Standort der Immobilie zum wegscrollen :-)


Größere Kartenansicht

Schon am Eingang des Amtsgerichts war mir klar, dass es für wesentlich mehr versteigert würde, als vom Gutachter veranschlagt. Es standen unendlich viele Menschen und Familien am Einlass an. Betonung liegt auf viele. Es waren rund 400-500 Personen sowie ein Fernsehteam des ZDFs. Natürlich wollte nicht jeder bieten, aber es gab sicher 150 Bietparteien. Das Publikum war bunt gemischt, junge Familien, Paare im besten Alter, türkische Familien, Deutsche. Also eine gute Mischung der Berliner Gesellschaft.

Die eigentlichen Bieter konnte ich nicht sehen, da das Gericht natürlich keinen Saal für so viele Personen hatte und ich es nur bis auf ein paar Meter an die Saaltür geschafft hatte. Justizbeamte riefen deshalb die aktuellen Gebote vom Saal in den Gang und nahmen von dort ebenfalls Gebote entgegen. Am Ende stand eine Zahl:

499.000€

Das ist das Dreifache des im Gutachten ermittelten Marktwerts. Faktisch sind das 500.000€ für ein Baugrundstück, auf dem man sogar noch was abreißen muss (darf man natürlich nicht, sonder Fassade wird man erhalten müssen). Das sind gute 1.650€ pro Quadratmeter.

Ich habe nun einige Zeit gegrübelt, wieso jemand so viel Geld für ein kleines zwar gut gelegenes aber mit einer Ruine bebautes Grundstück ausgibt und bin nur auf folgende Erklärungen gekommen:

  • Der Opa des neuen Besitzers hat auf dem Grundstück damals das Bernsteinzimmer vergraben.
  • Für den Käufer geht es um ein Steuersparmodel. Die Erwerbs- und Sanierungskosten werden über Jahre abgesetzt.
  • Die letzten Bieter sind Superreiche, für die es ein netter Zeitvertreib ist, mal eine halbe Million für eine Bruchbude auszugeben.

Einen wirtschaftlichen Grund im Sinne einer durchdachten Investition kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Ich habe mal das im Gutachten verwendete Verfahren angewendet und versucht auszurechnen, ab welcher Kaltmiete sich diese Investition amortisieren würde. Dabei bin ich von Sanierungskosten in Höhe von 250.000€ ausgegangen, da eine hohe Kaltmiete nur mit einer absoluten Luxussanierung sinnvoll ist. Weiterhin bin ich davon ausgegangen, dass das Haus Richtung Garten verlängert wird, damit zwei volle Wohneinheiten mit jeweils 100m² entstehen. Unter diesen Annahmen bedarf es aber immer noch einer Kaltmiete von 16€, damit die Investition sich lohnt. Zum Vergleich: Freunde haben kürzlich eine sanierte aber normal ausgestattete Wohnung in dem Viertel für knapp 8€ gemietet. Irrsinn!

Bleibt als letzter möglicher Grund noch Spekulation. Der Käufer saniert das Objekt für 200.000€ und versucht es dann schnell wieder abzustoßen. Damit sich das lohnt, müsste er aber mindestens 800.000€ realisieren. Nach Auskunft eines Kollegen, der in der Gegend wohnt und auch aus anderer Quelle, gehen sanierte Häuser in dem Gebiet für 400.000€ bis 450.000€ über den Tisch. Aber selbst das sind schon Preise, die fast kaum stemmbar für normale arbeitende Familien sind.

Am Ende bleibt zu hoffen, dass es sich hier wirklich um einen spektakulären Einzelfall handelt und die Immobilienblase nicht weiter wächst. Oder vielleicht sollte sie doch lieber ganz schnell wachsen und platzen, damit sich wieder normale Menschen ein Haus leisten können. Die über 400 Anwesenden würden sich sicher freuen :-)

3 Kommentare to “Der Immobilienblase hautnah”

  1. Christian Müller sagt:

    Nach dem anschauen der Karte habe ich mit geschätzten 500k eine Punktlandung gehabt.

    Ich konnte diesen Sachverhalt auch noch nie nachvollziehen. Hätte ich 800k gehabt, würde ich eine schöne Villa tief in der Provinz kaufen und von dem Rest leben ohne einen Tag mehr arbeiten zu müssen :-)

  2. Lothar sagt:

    Das mit den 450.000 Euro ist in der Gegend schon lange nicht mehr aktuell. Die Preise schiessen in den Himmel

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