Sent from Hauptstadt!

ein Blog für den geneigten Leser

Watts Humphrey gestorben

Tags: ,

Kategorie Promotion | 2 Kommentare »

In der Literatur über Softwareentwicklung gibt es bis heute 2 wesentliche Strömungen:

  1. Softwareentwicklung ist ein Handwerk und erfordert entsprechend virtuos vorgehende Meister
  2. Softwareentwicklung ist ein Ingenieurberuf und erfordert entsprechend geplantes Vorgehen

Typische Vertreter der ersten Kategorie sind z.B. Tom DeMarco (Autor von „Peopleware“) und Andrew Hunt (Autor von „The Pragmatic Programmer“). Diese und verwandte Autoren sind speziell unter Programmierern populär, da sie (scheinbar) die Planungswut mancher Projektmanager verteufeln und an den Künstler im Programmierer appellieren. Statt umfangreicher Prozesskontrolle betonen sie weiche Faktoren wie zwischenmenschliche Kommunikation als entscheidende Größen für den Erfolg eines Softwareentwicklungsprojekts.

Auf der anderen Seite stehen die „Prozessfanatiker“, die ein kontrolliertes Vorgehen und kontinuierliche Kontrolle aller Prozessgrößen fordern. Vielleicht der Gründungsvater dieser Weltsicht, Watts Humphrey, ist gestern verstorben. Auf ihn geht etwa das Capability Maturity Model (CMM) bzw. inzwischen Capability Maturity Model Integrated (CMMI) zurück und damit die Übertragung des Total Quality Management Gedankens auf die Softwareentwicklung.

Die Vertreter der ersten Weltsicht waren mir bereits bei meinem ersten Studium bekannt und sympathisch. Als ich dann mein Masterstudium in Software Engineering begann, bestand eine erste Übung darin, das Buch „Peopleware“ von DeMarco & Lister mit „Managing Technical People“ von Humphrey zu vergleichen. Das war für mich ein schmerzlicher Lernprozess, denn plötzlich wurde mir klar, dass es wahrscheinlich nicht ausreicht, nur für genügend gute Stimmung und Pizza zu sorgen, um ein Softwareprojekt erfolgreich zu schaukeln. Meine Erfahrungen der letzten Jahre in der professionellen Softwareentwicklung haben dies bestätigt. Es geht nicht ohne Kontrolle und bewusste Steuerung, weil eine ganz entscheidende Voraussetzung fehlt: Nicht alle Programmierer sind Künstler.

In der Realität ist es leider noch schlimmer: Die wenigsten Programmierer sind Künstler. Es gibt nur relativ wenige Programmierer, die schlechten Code riechen, wartbaren Code schreiben und Fehler beheben können, ohne zwei neue Fehler in den Code zu machen. Würde man nur mit Programmierkünstlern arbeiten, könnte man auf viele Kontrollen und Formalismen verzichten. Die durch Kontrollen gespannten Sicherheitsnetze helfen aber all jenen, die auch ohne Virtuosität gute Arbeit machen wollen. Uns auf das Spannen dieser Sicherheitsnetze aufmerksam zu machen, ist aus meiner Sicht der Hauptverdienst von Watts Humphrey.

2 Kommentare to “Watts Humphrey gestorben”

  1. Cao Duy sagt:

    Das stimmt allerdings dass nicht alle Programmierer gut sind. Ich habe aber auch die Erfahrung gemacht dass Zwangs und Kontrolle extrem demotivierend wirken. Und wenn die halbwegs intelligenten Kreaturen demotivierend sind, leisten sie trotz Zwangs und Kontrolle keine gute Arbeit. Diese Spezies zu kontrollieren ist einbisschen wie „Pudding an die Wand festnageln“.

    Ich glaube man braucht irgendwie die Zwischenströmung. Also die 1,5 Strömung.
    1. gute Stimmung und Pizza,
    2. Einwenig Kontrolle und Berichterstattung ist okay, aber ja nicht übertreiben.
    3. die lenkende Instanz muss kompetent genug sein, sonst verlieren die Programmierern ganz schnell den Respekt.
    4. und ganz wichtig: vernünftige Bezahlung !!!
    so in etwa sieht meine Vorstellung aus :-) wenn diese Kriterien stimmen, haben wir vielleicht eine Chance.

  2. Sebastian sagt:

    Cao, du sprichst mir aus dem Herzen! Es ist absolut richtig, dass weder deine eine Seite (Pizza & Co.) noch die andere Seite (Kontrolle, Kontrolle, Kontrolle) richtig liegt, sondern die Lösung liegt dazwischen. Auch Faktor Löhne wird oft übersehen. Wir haben in Deutschland keinen Fachkräftemangel, aber einen Mangel an billigen Fachkräften. Nur diese Wahrheit sagt leider keiner der Lobbyisten und Politiker.

Schreiben sie ein Kommentar